Wir sitzen irgendwo in Shibuya in einer Nudelküche und geniessen das erste Essen in Tokio. Wie lange wir uns darauf gefreut haben! Und die spannenden Tage in Tokio beginnen erst!
Es ist mitten in der Nacht, Tokio leuchtet und glitzert und wir sind mitten drin. Das Gefühl ein Teil dieses ganz speziellen Kosmos zu sein, in unbezahlbar. Schliesslich geht es hier um Tokio, eine Stadt, in dessen Cafés man Schafe streicheln kann, sich wie ein Kleinkind auf dem Schoss der Kellnerin die Ohren putzen lassen kann oder sich von Robotern bedienen lässt.
Wir haben uns die Bäuche vollgeschlagen und machen uns auf, die verheissungsvolle Stadt zu erkunden. Erwartungsfroh machen wir uns auf den Weg ins Nachtleben Tokios.
Ruhe in der Megacity
Wohl in keiner anderen Stadt haben wir uns nachts so sicher gefühlt. Die Menschen grüssen freundlich, es ist ruhig, auch in den Ausgehvierteln herrscht eine ungewohnte Ruhe. Während bei uns alle auf den Strassen rumgrölen würden, sind die Japaner:innen wohl viel zu gesittet und wohlerzogen. Oder sie toben sich anderenorts aus, zum Beispiel in einer der vielen Karaokebars.
Schon ein paar Tage später sollten wir dann das Vergnügen haben, uns mit einer Gruppe japanischer Geschäftsmännern die Nacht in einer Karaokebar um die Ohren zu schlagen. Das Eis gebrochen bei den zurückhaltenden Japanern, haben zwei Sätze von mir auf japanisch. Als ich gesagt habe, dass ich Sarah heisse und aus der Schweiz komme, sind sie applaudierend aufgestanden, haben wild durcheinander geredet, zwei weitere Flaschen Sake bestellt und so nahm der Abend seinen Lauf….
Faszination Tokio
Jetzt sind wir aber noch beim ersten Abend und auf Entdeckungstour. Tokio fasziniert uns von der ersten Minute an. Die Stadt ist riesengross und die einzelnen Stadtteile sind wie eigene Städte. Alle sind unterschiedlich und wir wähnen uns jeweils in einer anderen Stadt, anstatt immer noch in derselben Megacity.
So auch am nächsten Tag als wir uns aufmachen, die Stadt zu erkunden. Zu Fuss geht es für uns in Richtung Harajuku, wo wir erstmal Richtung Cat Street laufen. In der hübschen, kleinen Strasse ist es ruhig und es hat nicht viele Leute. Es gibt Geschäfte von grossen, westlichen Marken. Alle Outdoor Läden sind hier angesiedelt und das Klientel, welches sich in den Geschäften beraten lässt, sieht gutbetucht aus. Es ist sehr schön hier, aber fast sind wir ein wenig enttäuscht. Wir sind erstmals auf Menschenmassen und japanische Klischees fixiert. Ja, ich gebs zu, aber sind wir nicht alle ein bisschen so?
Endlich Klischees
Unser Wunsch wir erfüllt, als wir Richtung Takeshita-dori laufen. Hier gibt es das ganze Japan-Klischee auf einen Haufen! Es gibt viele Shops, noch mehr Leute und einen ganzen Haufen spannendes und Blödsinn. Von Eulen Cafés über Kit-Kat in allen möglichen Sorten (Grüntee, Erdbeeren etc.), bis hin zu verrückt gestylten Teens, gibt es hier alles fürs Auge.
So viele Menschen, die sich alle in eine Strasse drängend und dabei auch noch total zufrieden aussehen! Wie man so wenig eigenen Platz beanspruchen kann oder anders ausgedrückt, wie man sich in der Masse so gerne bewegen kann! Ein unbegreifliches Phänomen für mich, aus einer westlichen Gesellschaft kommend, die total auf Individualismus ausgerichtet ist. Japan ist das genaue Gegenteil. Hauptsache das Kollektiv kommt auf seine Kosten. Eigene Ansprüche in den Vordergrund zu rücken, gilt als egoistisch.
Religion in Tokio
Irgendwann werden uns die Menschenmassen zu viel und wir laufen weiter zum Meiji Schrein. Auch hier hat es viele Leuten, wie überall in Japan. Wir sollten uns schon bald besser daran gewöhnen. Aber beim Schrein verteilen sich alle gut und wir haben Luft zum Durchatmen.
Die Shinto-Schreine in Japan sind wunderschön und ganz anders als alle anderen Schreine, die ich bisher gesehen habe. Mit grossem Interesse schauen wir uns den Meiji Schrein an, orientieren uns an den Menschen, sehen bei einer Zeremonie zu die wir nicht verstehen und geniessen die Zeit.
Electronictown in Tokio
Von der Ruhe gestärkt, geben wir uns noch einmal das absolute Kontrastprogramm und fahren nach Akihabara. Das ist die „Electronictown“, das Zentrum des japanischen Elektronikhandels. Hier gibt es alles, was es in der Elektronikwelt im Angebot gibt. Teils gibt es einzelne Läden, die nur auf etwas spezialisiert sind (Taschenrechner, Sprachlerncomputer, Laptopboxen oder ähnliches).
Akihabara ist aber auch das Zentrum für alle Cosplay Fans und es gibt viele für uns eigenartige Dinge wie Manga-Pornoshops, Maidcafes und Gamehallen zu entdecken. Für uns ist es eine fremde Welt, so fremd, dass wir einfach umherstolpern und die Eindrücke in uns aufsaugen. In eine der Gamehallen schaffe ich gerade mal ein paar Schritte, aber es ist so ohrenbetäubend laut und verraucht, dass sich bei mir sogleich Kopfschmerzen einstellen. Ich kann nicht verstehen, wie die sonst so ruhigen Japaner:innen freiwillig hierher kommen können.
Immer wieder Nudelküchen
Zwischendurch bedarf es natürlich einer Stärkung und wir können uns kaum entscheiden, in welche Nudelküche wir diesmal sollen. Zum Glück gibts diese gefühlt an jeder Strassenecke. Die Nudelküchen entwickeln sich zu unseren Lieblingslokalen.
Ausgelegt auf Schnellimbiss steht das Essen in ein paar Minuten vor uns und ist jedes Mal unglaublich lecker. Selten haben wir so gut gegessen wie in Japan. Suppen, Nudeln, Reis, Sushi und auch einige Dinge, von denen ich jetzt nicht mehr weiss, wie sie heissen. Aber natürlich gibt es auch in Japan einiges zu entdecken, was für uns – gelinde gesagt – eigenartig ist. Wenn ich da an die Tintenfische mit den Eiern im Kopf zurückdenke…
Die berühmte Shibuya-Kreuzung
Es gibt einfach so viele wundersame Dinge zu entdecken in Tokio! Auch über die wohl berühmteste Kreuzung der Welt sind wir ein paar Mal gelaufen. Natürlich auch, weil sie gerade um die Ecke unserer AirBnB Wohnung liegt.
Zehntausende Menschen treffen täglich auf der Shibuya-Kreuzung aufeinander. Aber wie überall in Japan geht es auch hier wohlgeordnet und problemlos zu und her. Es ist wieder einmal einer dieser Plätze wo es sich eigenartig anfühlt, hier zu stehen. So oft habe ich Bilder davon im Netz gesehen und mir gewünscht da zu sein. Und jetzt stehe ich hier.
Wie immer in einer grossen Stadt, muss ich mir diese natürlich auch von oben anschauen. So gehört sich das auch in Tokio, zumal es eine der grössten Städte weltweit ist. Das können wir uns natürlich nicht entgehen lassen und machen uns also auf zum Metropolitan Gouvernment Office Building.
In den beiden 243 Meter hohen Türmen gibt es ein Observationsdeck mit herrlichem Blick über die Stadt. Ganz besonders schön ist der Ausblick bei Sonnenuntergang oder faszinierend bei Nacht. Wie oft ich mir mittlerweile schon Städte von oben, von irgendwelchen Decks, angesehen habe…. Aber dieser Anblick wird nie langweilig. Ich bin immer wieder aufs Neue fasziniert.
Kultur in Tokio
Natürlich soll es irgendwann auch noch ein bisschen Kultur sein. Doch wie sollen wir uns nur zwischen all den Museen Tokios entscheiden? Hier könnten wir wohl eine ganze Woche in Galerien verbringen.
Das Mori Art Museum im 53. Stock des Mori Towers im Zentrum der Roppongi Hills hat sich zum Ziel gesetzt, Lebensstil und Kunst zusammenzuführen. Dies gelingt jedenfalls in der zur Zeit laufenden Ausstellung „The universe and art“ sehr gut und der Ausflug in eine ganz andere Welt tut auch manchmal gut. Das Museum besitzt zwar keine eigene Sammlung, aber die wechselnden Ausstellungen lohnen sich allemal.
Unbekannte Viertel
Es gibt viele verschiedene Viertel zu entdecken in Tokio. Shibuya, Shinjuku oder Akhinabara gehören zu den bekannteren. Wir haben auch weitere Viertel unter die Lupe genommen, aber welches jetzt besonders schön ist, kann ich so gar nicht sagen, da einfach alles so verschieden sind. Ueno mit seinem lebendigen Strassenmarkt, das alte Tokio in Yanaka, edle Einkaufsstrassen in Ginza, der Tsukiji-Fischmarkt oder einfach einer der unzähligen Parks irgendwo in Tokio… Eine Woche in der Stadt reicht eigentlich kaum und je mehr man sich auf die Stadt einlässt, desto interessanter wird sie.
Eine neue Sicht
Wovon ich aber noch erzählen möchte, ist von von unserem Besuch in Odaiba. In diesem Seaside Park, Vergnügungsviertel oder Einkaufsparadies (je nach dem wo man nachliest), bekommt man eine ganz neue Sicht auf Tokio. In dem weitläufigen Viertel gibt es tatsächlich unzählige Einkaufstempel, aber was viel interessanter ist, ist die Lage und die damit verbundene Sicht auf die Stadt.
Der Seaside Park eignet sich super für um zu Entspannen und sich von der Hektik und den Menschenmassen der Grossstadt zu erholen. Bereits die Fahrt mit der Bahn ist ein Erlebnis und führt auf einer Skybahn mitten durch die Wolkenkratzer Tokios. In Odaiba angekommen entspannen wir am Strand, geniessen das Wetter und die Sicht auf die Rainbow Bridge und stellen mit Erstaunen fest, dass auch Tokyo eine Freiheitsstatue besitzt.
Odaiba ist für uns ein wunderbarer Platz um die ganze Japan Reise Revue passieren zu lassen, bevor es wieder nach Hause geht. Wir haben ein total spannendes, teils gegensätzliches Tokio erlebt. Jahrhunderte alte Traditionen finden Platz inmitten einer der modernsten und fortschrittlichsten Metropolen der Welt. Wir durften eine Kultur entdecken, die manchmal gefühlt das genaue Gegenteil der unserigen ist. Wir haben aber auch einiges gelernt und eine weitere Weltsicht kennengelernt.
Kulturschock Tokio
Im Zusammenhang mit Tokio taucht immer das Wort “Kulturschock” auf. Ich hatte keinen. Meinen Kulturschock habe ich in Nepal erlebt und seither eigentlich nie mehr. Tokio fühlt sich weniger fremd an, als erwartet. Aber anders ist es allemal. Eine der grössten Städte der Welt, die so reibungslos funktioniert, als würden nur ein paar Tausend Seelen dort leben. Wie kann sowas nur gehen? Die Stadt ist durchtränkt mit Regeln, alle paar Meter wird man an etwas ermahnt. “Nicht rauchen”, “Rechts gehen”, “Nicht zu schnell gehen”, ganz zu schweigen von den vielen ungeschriebenen Gesetzen.
Natürlich tauchen Fragen auf. Auf die meisten finde ich keine Antwort. Warum gibt es nirgendwo in Tokio Mülleimer? Wie können Menschen so diszipliniert sein, dass sie sich auf der Rolltreppe wie vorgeschrieben immer festhalten? Warum tragen die Taxifahrer weisse Handschuhe? Wie kann man ein Klo so kompliziert konzipieren, dass man dafür eine Gebrauchsanweisung braucht? Warum ist es in den Gamehallen so unerträglich laut? Sind Hausschuhe für die Umkleidekabine wirklich nötig? Und was soll eigentlich das gekünstelte Lächeln?
Mikrokosmos Tokio
Tokio ist ist auf den ersten Blick einfach eine verrückte, japanische Grossstadt, in welcher man ab und zu komisch gekleidete Leute trifft. Und die Stadt ist nicht einmal besonders schön. Auf den zweiten, dritten und vierten Blick entpuppt sich Tokio als Mikrokosmos der Skurrilitäten, als Welt, die man jahrelang erforschen kann und immer noch nicht schlau daraus wird.
Hinter all den Leuchtreklamen, die schnell einmal Kopfschmerzen bereiten, findet sich eine Welt, die von Stadtviertel zu Stadtviertel unterschiedlicher nicht sein könnte und die einem abwechslungsweise Lachkrämpfe, unwirkliches Staunen und Kopfschütteln beschert. Und genau diese versteckte Vielschichtigkeit macht die Stadt schlussendlich so interessant.
Hast du jetzt auch Lust gekriegt Japan zu bereisen? Dann gibts hier noch viel mehr Inspiration:
- Hiroshima – Japans Stadt des Friedens
- Kyushu: Eine Reise in Japans tiefen Süden
- Mit dem Rail Pass quer durch Japan – lohnt sich das?
- Die Tempelinsel Miyajima. Oder wo Hiroshima am schönsten ist.
- Mehr als nur Sushi: Einblicke in die japanische Küche.
- Kyoto – und was die Stadt so besonders macht
- 10 Dinge, die du vor deiner Japan Reise wissen musst
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10 Kommentare
Thomas
7. Februar 2017 um 8:45Halo,
ich habe die Nudelsuppen in Tokyo lieben gelernt und zuvor natürlich den Automaten, damit man überhaupt erst einmal eine Nudelsuppe bestellen kann. Ich habe dann nicht nur in Tokyo diese Imbisse besucht.
Lg
Thomas
Sarah Althaus
8. Februar 2017 um 7:54Oh ja, ich hab Nudelsuppen auch im ganzen Land gegessen. Die sind einfach nirgendwo so gut wie in Tokio! Irgendwie lässt es sich gar nicht so genau beschreiben, was sie ausmacht. Aber ich denke oft daran zurück und möchte am liebsten für eine Schüssel Nudelsuppe zurückreisen!
Step
8. Februar 2017 um 14:16Perfekt beschrieben, genauso habe ich Tokio auch erlebt. Faszinierend fand ich auch, dass trotz über 30 Millionen Einwohnern nirgends Hektik oder Gedränge zu spüren war. Tokio ist nicht schön aber sehr spannend und jedes Viertel anders – man könnte Ewigkeiten dort verbringen ohne dass es langweilig wird. Gruß aus Melbourne
Stephan
13. Februar 2017 um 23:05Ich kann mich noch gut an meinen Trip nach Japan erinnern. Tokio stand natürlich auch auf der Agenda, ich muss zugeben, dass ich ca. eine Woche von den leuchtenden, blinkenden und piependen Eindrücken wie geflasht war. Japan ist ein wahnsinniges Land, was im positiven Sinne meine. Immer, wenn ich Sehnsucht nach Japan bekommen, dann gönne ich mir japanische Süßigkeiten. Diese Box aus meinem Blog kann ich empfehlen: https://schenkdichgluecklich.com/2016/10/28/30-japanische-suessigkeiten-geschenk-fuer-japanfans/
Viele Grüße,
Stephan
Oli
26. Februar 2017 um 16:15Tokyo ist meine absolute Lieblingsstadt. Ich hab nach dem Studium mal ein paar Monate dort gelebt und fand das eine super spannende Zeit. Wäre mir nicht das Geld ausgegangen, wäre ich länger geblieben.
Sarah Althaus
1. März 2017 um 22:07Ja, Tokio lohnt sich, mal eine längere Zeit zu erforschen.
Nord-Peru Reisen
28. Februar 2017 um 23:46Ich war vor ein paar Jahren in Japan und natürlich auch in Tokyo. Eine atemberaubende Stadt, wie Du schon sagst, alles ist neu, anders, faszinierend. So viele Menschen, Mangas, Püppchen, leckeres, exotisches Essen.
Japan fand ich toll, ich hoffe, ich habe mal wieder die Gelegenheit, dorthin zu fahren.
Sarah Althaus
1. März 2017 um 9:52Ja, ich weiss auch schon jetzt, dass ich gerne wieder dahin reisen möchte!
Mit dem Rail Pass quer durch Japan - lohnt sich das? | Rapunzel will raus
23. März 2018 um 13:17[…] Tokio, ein Mikrokosmos der Skurrilitäten […]
SquallPM
19. Juni 2019 um 14:06Zu den ersten Worten dieses Beitrages:
Fahrt vom Flughafen in die Stadt Tokio hinein: 1.000 Yen,
Ein Nudelgericht in Tokio: 1.500 Yen,
Das Capselhotel in Akihabara: 3.500 Yen
Das Gefühl ein Teil dieses ganz speziellen Kosmos zu sein: unbezahlbar ;-p
Das wäre doch mal ein cooler Sloagen für die Werbefirma gewesen.
Ich freu mich aber auch schon drauf nächstes Jahr zur Kirschblüte nochmal drei Wochen dort zu sein. War vor drei Jahren schon mal für zwei Wochen da und wir haben festgestellt, dass es einfach noch zu viel zu sehen gibt wir wir einfach nochmal hin müssen.
Daher auch danke für diese schönen Japanberichte. Würde dadurch am liebsten heute schon los machen ^^