Ausblicke über das Greyerzerland auf der einen Seite, Sicht zu den Berner- und Walliser Alpen auf der anderen Seite – auf dem Grat der Gastlosen ist einfach alles zu sehen. Die Tour um das Gebirgsmassiv hat mich nachhaltig begeistert.
Wir parken unser Auto im Dorf Jaun direkt vor der Seilbahn mit dem hochtrabenden Namen „Gastlosen-Express“. Was sich nach grossen, schnellen Gondeln für viele Leute anhört, ist in Wahrheit ein kleiner Sessellift. Der Parkplatz ist gratis. Wir sind neben zwei anderen Paaren die einzigen, die um halb 9 bereit stehen. Viel los ist hier nicht, obwohl wettertechnisch ein perfekter Wandertag vor uns liegt.
Wir sind noch ganz begeistert von der Anreise. Von Konolfingen geht es für uns Richtung Thun und Spiez und dort durch das malerische Simmental über den Jaunpass. Wir sind frühmorgens unterwegs und geniessen das weiche Licht, die die Hügellandschaft wunderschön präsentiert. Bei dieser Tour ist bereits die Anreise spektakulär.
Rund um die Saanenländer Dolomiten
Als die Gastlosen werden eigentlich nur die im äussersten Nordosten der Bergkette gelegenen Bergspitzen bezeichnet. Das ganze Bergmassiv erstreckt sich über eine Länge von 15 Km in den Freiburger Voralpen. Dazu gehören 61 Gipfel und Nebengipfel, beispielsweise die Sattelspitzen, die Wandflue oder der Dent de Savigny, mit 2262 M.ü.M die höchste Erhebung der gesamten Kette. Gerne werden sie aber einfach als die Gastlosen oder auch mal als Saanenländer Dolomiten bezeichnet.
Ich bin wahnsinnig gespannt auf den Anblick dieser Dolomiten. Und deshalb bin ich auch etwas verwirrt, als wir nicht einmal bei der Bergstation Musersbergli etwas davon sehen. Aber bereits hier ist der Ausblick auf die umliegende Bergwelt wahnsinnig schön und das Berghaus Musersbergli ist eine wahre Augenweide. Ich muss mich zusammenreissen, dass ich nicht hier schon fünfzig Bilder schiesse.
Wir laufen den Forstweg rechterhand des Sessellifts los und diskutieren, ob wir wohl wieder einmal Murmeltiere sehen. Von denen soll es hier einige geben. Und ganz plötzlich, nach einer weiteren Kurve, da ragen sie steil vor uns auf: Die Gastlosen. Endlich können wir sie sehen. Ich bin überrascht, dass sie plötzlich vor uns sind. Einfach atemberaubend schön. Ich fühle mich ganz klein und frage mich, wie genau ich über dieses Bergmassiv auf die andere Seite kommen soll. Aus dieser Perspektive scheint es fast unmöglich zu sein.
Der Weg führt uns weiter durch einen Wald, der mit Felsblöcken übersät ist. Nach dem kurzen Waldstück geht es wieder entlang des Forstweges steil bergauf. Ich kann mich kaum sattsehen an den Blumenwiesen.
Unterwegs entdecken wir zwar keine Murmeltiere, dafür aber das Grossmutterloch. Das ist ein Felsspalt mit einer Abmessung von 5 auf 20 Meter. Der Legende nach soll der Teufel im Zorn seine Grossmutter gegen den Felsen geschlendert haben. Ich wusste bis jetzt ja nicht einmal, dass der Teufel eine Grossmutter hat. An bestimmten Tagen im Jahr blitzt hier die Sonne durch. Ein Naturschauspiel, was gerne bestaunt wird.
Nach 1.15 Stunden erreichen wir unser erstes Etappenziel, das Soldatenhaus auf 1752 M.ü.M. Das Soldatenhaus wurde im Jahr 1943 gebaut und diente ursprünglich zur Ausbildung von Gebirgsjägern. Der Ausblick von der Sonnenterrasse ist phänomenal und gehört meiner Meinung nach zu den schönsten der Rundtour. Links ragen die Gastlosen in die Höhe und rechts schweift mein Blick über das Greyerzerland. Ich halte nicht viel von Naturbeschreibungen, aber hier muss sogar ich mich mit „zarten Hügeln“, „malerischen Gebirgszügen“ und „endlosen Weiten des Greyerzerlandes“ zurückhalten.
Entlang der Kantonsgrenze Freiburg – Bern
Wir nehmen den Weg zum höchsten Punkt der Wanderung, dem Wolfs Ort, in Angriff. Unterhalb der Sattelspitzen geht es steil bergauf. Manchmal so steil, dass wir die Hände einsetzen müssen. Es geht über Steinblöcke die auch mal runterrollen können. Hier ist Vorsicht geraten. Der Abschnitt ist kurz, macht die Wanderung aber auch abwechslungsreich.
Auf dem Grat stehen wir auf der Kantonsgrenze Freiburg-Bern. Mit dem Wolfs Ort erreichen wir mit 1921 M.ü.M. den höchsten Punkt und zeitlich die Hälfte der Wanderung. Die Sicht von hier ist phänomenal. Mit anderen Worten lässt sie sich kaum beschreiben. Den Blick über das Greyerzerland sind wir uns schon „gewohnt“, dennoch verliert er nichts von seiner Schönheit. Auf dem Grat schauen wir jetzt auch auf die andere Seite, wo wir die Berner Alpenkette erblicken und weiter hinten sogar die Walliser Alpen sehen können.
Jetzt geht es über weite Kehren wieder runter und entlang der Gastlosenkette zurück Richtung Chalet Grat, unserem letzten Zwischenstopp. Während der ganzen Tour auf dieser Seite haben wir die Gastlosen vor Augen. Ein eindrückliches Bild. Wir wandern über weite Wiesen, stehen das erste Mal direkt neben riesigen Lawinenverbauungen und laufen schlussendlich entlang eines Bergbaches durch den Wald. Die Strecke ist nicht mehr gebirgig, aber abwechslungsreich und voller Blumenwiesen. Bevor wir das Chalet Grat erreichen, müssen wir noch eine Teerstrasse rauflaufen, bis wir dann vor unserer wohlverdienten Käseschnitte sitzen.
Beim Essen denke ich an all die Wanderungen zurück, die ich in den letzten Jahren unternommen habe und komme zum Schluss, dass die Gastlosen Rundtour zu den fünf schönsten zählt. Der Rundweg ist nicht schwierig, hat aber doch ein paar herausfordernde Stellen. Die Aussicht ist kaum zu übertreffen, die Gehzeit mit vier Stunden angenehm.
Die letzten 40 Minuten der Tour verlaufen in Serpentinen bergab, durch einen Wald und über angelegte Treppenstufen wieder zur Ausgangsstation des Sessellifts Musersbergli.
Glücklich über diese phänomenale Tour fahren wir zurück nach Hause.
5 Kommentare
Naturkraxler
20. Juni 2020 um 11:20Hallo Sarah,
wow, diese Bilder, ich bin total geflashed. Einfach nur wunderschön, ich möchte bitte sofort den Wanderrucksack aufschnallen.
Wirklich ein toller Beitrag, der Lust macht, diese Tour nachzuwandern.
Liebe Grüße aus Deutschland,
(auch) Sarah
Sarah Althaus
21. Juni 2020 um 20:22Vielen Dank! Die Tour lohnt sich jedenfalls sehr!
Gabi
19. August 2020 um 15:49Wow, was für eine Aussicht! Die Alpen sind einfach etwas ganz besonderes.
Christine
19. August 2023 um 18:28Die Tour ist wunderschön, lauft die Runde wie beschrieben.
Kleiner Hinweis: Der Parkplatz ist zahlungspflichtig. CHF 5.00
Sarah
21. August 2023 um 8:32Danke für die Ergänzung!