Schweiz

Wiborada und die starken Frauen in St. Gallen

Wiborada und die starken Frauen in St. Gallen

Ein ganzes Wochenende entdecke ich die Stadt St. Gallen auf den Spuren von starken Frauen. Und davon gibt es in der Ostschweizer Stadt eine ganze Menge.

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Ich fahre mit dem Zug in St. Gallen ein und überlege mir, wann ich das letzten Mal hier war. Das war vor ungefähr zwei Jahren, damals habe ich die Stadt zum ersten Mal besucht. Jetzt bin ich wieder hier und auf einer spannenden Mission. Im Zuge des 50-jährigen Frauenstimmrechts in der Schweiz, steht St. Gallen ganz im Zeichen von starken Frauen. Frauen und ihrer Geschichte – meiner Geschichte – will ich mich dieses Wochenende widmen.

Wiborada und die starken Frauen in St. Gallen

Hallo St. Gallen!

Der Kampf der Frauen

Wie eben erwähnt, jährt sich das Stimm- und Wahlrecht für Frauen in diesem Jahr zum fünfzigsten Mal. So traurig (und peinlich) es ist, die Schweiz hat ihren Bürgerinnen erst 1971 politisch die gleichen Rechte eingeräumt. Im Historischen und Völkerkundemuseum St. Gallen wird die Frauen- und Geschlechtergeschichte in der Schweiz von 1848 bis heute dargestellt.

Wiborada und die starken Frauen in St. Gallen

Historisches und Völkerkundemuseum St. Gallen.

Es zeigt den 120-jährigen Kampf der Frauen in der Schweiz für das Stimm- und Wahlrecht. Was für mich heute selbstverständlich ist, war für meine Grossmutter ein Novum. Die Ausstellung würdigt die Kämpferinnen für die Rechte der Frauen mit ihren Biografien. Auf einem Zeitstrahl wird die Entwicklung der Frauenrechte im Vergleich mit Deutschland und Österreich gezeigt. Das Stimm- und Wahlrecht für Frauen wurde in den beiden Ländern 1918 eingeführt, mehr als 50 Jahre vor der Schweiz.

Wiborada und die starken Frauen in St. Gallen

Klug und Kühn – Frauen in der Schweiz.

Wiborada und die starken Frauen in St. Gallen

Die Ausstellung zeigt den Kampf um die Frauenrechte.

Ich kriege Gänsehaut während der Ausstellung. Ich bedanke mich leise bei all den starken Frauen, die für viele Privilegien gekämpft haben, die ich heute geniessen kann. Auch wenn es eigentlich fundamentale Menschenrechte sind die allen zustehen (sollten), egal ob Frau oder Mann.

Ich bin dankbar für all diese Errungenschaften, bin mir aber sehr wohl bewusst, dass wir immer noch am Anfang stehen. Es gibt noch so viel zu tun und zu erkämpfen. Das wird im zweiten Teil der Ausstellung gezeigt, in dem Themen wie Arbeit, Körper, Religion, Recht oder Bildung thematisiert werden. In allen Bereichen des Lebens wurden Frauen benachteiligt – und werden es immer noch.

Wiborada und die starken Frauen in St. Gallen

Der zweite Teil der Ausstellung.

Rundgang durch St. Gallen

Nach dem Besuch des Museums bin ich beeindruckt und wütend. Wütend darüber, dass es noch so viel zu tun gibt. Dass ich in so vielen Bereichen des Lebens nach wie vor extrem benachteiligt werde, einfach nur deshalb, weil ich eine Frau bin. Da ich mich sehr stark damit auseinandersetze, ist das alles nicht neu für mich. Es macht mich deshalb aber nicht weniger wütend.

Ist dir Gleichstellung auch ein Anliegen? Hier gibt’s meine Buchtipps für Feministische Literatur, alle von mir gelesen und für gut befunden.

Bevor es weitergeht, muss ich den Kopf lüften. Ich schnappe mir beim Gemperli eine leckere vegetarische Bowl und setze mich bei nahegelegenen Klosterplatz auf den Rasen. Es wird langsam warm und das Leben spielt sich wieder draussen ab. Die Leute geniessen jeden Sonnenstrahl und schlendern durch die Gassen.

Wiborada und die starken Frauen in St. Gallen

St. Gallen an einem schönen Sonnentag

Wiborada und die starken Frauen in St. Gallen

In den Gassen St. Gallens.

Wiborada und die starken Frauen in St. Gallen

Hübsche Ecken in der ganzen Stadt.

Ich geniesse es, planlos durch das Städtchen zu laufen. Meistens bin ich unterwegs mit Ziel und will von A nach B. Hier lasse ich mich wieder einmal treiben und schaue je nach Lust und Laune hinter die nächste Ecke. Ich entdecke so tatsächlich einige hübsche Passagen und staune über die Fachwerkhäuser.

Die begeistern mich immer wieder. Die Fassaden zeugen von frühem Reichtum durch Händler, die allerlei „Exotisches“ nach St. Gallen gebracht haben. Bildnisse von Früchten wie Ananas oder Tiere wie Elefanten, lassen auf den frühen Reichtum als Textilstadt schliessen. Wer mit offenen Augen und erhobenem Kopf durch die Gassen läuft, findet viele Hinweise auf vergangene Tage.

Wiborada und die starken Frauen in St. Gallen

Schöne Fassaden in St. Gallen.

Wiborada und die starken Frauen in St. Gallen

Es lohnt sich, hoch zu schauen!

Wiborada und die starken Frauen in St. Gallen

St. Gallen in der Ostschweiz.

Wiborada und die starken Frauen in St. Gallen

Alle zieht es nach Draussen!

Wiborada, die erste heiliggesprochene Frau der Welt

Ich lerne Wiborada kennen. Sie hat vor über tausend Jahren in St. Gallen gelebt, gilt heute als Stadtheilige und sie war die erste Frau, die offiziell von Rom heiliggesprochen wurde. Trotzdem wird sie gerade erst wiederentdeckt. Wie bei so vielen Frauen, wurde auch ihr Leben bis anhin zu wenig gewürdigt.

Das Aussergewöhnliche an ihrem Leben war, dass sie sich freiwillig in einer Zelle hat einschliessen lassen – bis an ihr Lebensende. Es war eine Zelle bei der Kirche St. Mangen. Wiborada war einzig durch ein kleines Fenster mit der Aussenwelt verbunden und hat den Suchenden bei Bedarf Rat gegeben. Durch ihre Visionen wurden die Bevölkerung und die Schätze der Stiftsbibliothek beim Einfall der Ungarn verschont. Wiborada aber bezahlte mit ihrem Leben, weil sie ihre Klause nicht verlassen wollte.

Wiborada und die starken Frauen in St. Gallen

Wiborada, die erste heilig gesprochene Frau kommt aus St. Gallen.

Man mag von der Geschichte halten was man will. Dennoch war sie die erste Frau, die nach offiziellem römischen Verfahren heilig gesprochen wurde und ihr Leben hat noch heute Auswirkung auf das unsere. Momentan steht ein Anbau an der Kirche, in dem sich zehn „Inklusinnen und Inklusen“ für jeweils eine Woche einsperren lassen und dem Leben Wiboradas nachspüren wollen. Ich bin dabei, als die erste Inklusin mit viel Publikum einzieht und sich eine Woche von ihrem gewohnten Leben verabschiedet. Zweimal täglich kann sie an ihrem Fenster besucht werden.

Ich frage mich, ob mir das „weg sein“ für eine Woche schwerfallen würde. Was würde ich vermissen? Wäre mir langweilig? So fremd hört sich das für mich gar nicht an und grundsätzlich könnte ich mir das gut vorstellen. Ich hätte wohl in der ersten Zeit Entzugserscheinungen von Social Media und allen Nachrichten, die stündlich auf mich einprasseln. Aber sonst? Ich nehme mir diesen Gedanken zum Anlass, bald wieder einmal ein internetfreies Wochenende zu planen. Das ist doch auch schon mal ein Anfang.

Wiborada und die starken Frauen in St. Gallen

Der Wiboradaplatz in St. Gallen.

St. Gallens Roter Platz

Bevor ich meine dritte und letzte Station besuche, mache ich einen Schlenker über den Roten Platz. Die Künstlerin Pipilotti Rist und der Architekt Carlos Martinez, haben diese Stadtlounge entworfen. Sie passt irgendwie so gar nicht nach St. Gallen und ist trotzdem – oder genau deswegen – ein absoluter Hingucker.

Mit Skulpturen, einem Brunnen und den „Bubbles“ hoch über den Köpfen, hebt sich dieser Platz so sehr von der gängigen Stadtplanung ab, dass er einfach etwas Besonderes ist. Mir gefällt dieser Platz ausserordentlich gut, er ist erfrischend anders. Von hier sind es nur ein paar Schritte zum Textilmuseum, meiner dritten und letzten Station.

Wiborada und die starken Frauen in St. Gallen

Der künstlerisch gestaltete Rote Platz in St. Gallen.

Wiborada und die starken Frauen in St. Gallen

Am Roten Platz in St. Gallen.

Wiborada und die starken Frauen in St. Gallen

Viele spezielle Ecken auf dem Roten Platz.

Wiborada und die starken Frauen in St. Gallen

Eine echte Augenweide, oder?

Frauen, Macht und Mode im Textilmuseum

Wie wohl die Meisten, mag auch ich einen guten Stil und Leute, die schön angezogen sind. Ich kann mich durchaus für Modefragen begeistern, mein Bedürfnis nach Schönheit ist ausgeprägt. Trotzdem ist mir Mode herzlich egal und meine „Garderobe“ besteht aus einigen wenigen Teilen.

Doch das ist nur ein Grund, wieso ich der Ausstellung gegenüber zuerst skeptisch eingestellt war. Ein anderer Grund ist, dass es sich mir nicht erschliesst, dass man ausgerechnet Frauen und Mode als Ausstellungsthematik hernehmen muss. Es gibt doch so viel mehr mit Substanz, werden wir nicht schon genug über unser Erscheinungsbild gemessen? Die Ausstellung entpuppt sich schlussendlich als hervorragend und ich komme begeistert wieder raus.

Wiborada und die starken Frauen in St. Gallen

Frauen. Macht. Mode.

Genau die Gedanken, die sich mir im vornherein aufgedrängt haben, werden thematisiert. Warum wird bei Frauen so viel Wert auf die Kleidung gelegt? Warum ist es ein Skandal, wenn Angela Merkel Dekolleté zeigt? Warum hat der „löchrige Mantel“ von Doris Leuthard mehr Bedeutung als der Gotthard-Tunnel? Und warum darf eine deutsche SPD-Politikerin keine Rolex-Uhr tragen?

Es sind Ballkleider von Sisi zu sehen und Ausführungen über Königin Elizabeth I. und ihre Garderobe zu lesen. Während sich damals die Herrscherinnen mit ihrer Kleidung vom Volk abheben mussten, geben sich die Politikerinnen von heute mit ihrem Auftritt volksnah. Aktuelle Beispiele dafür sind Kamala Harris in Joggingmontur und Jacinda Ardern im ausgewaschenen T-Shirt zu Hause.

Wiborada und die starken Frauen in St. Gallen

Eine informative und kurzweilige Ausstellung.

Wiborada und die starken Frauen in St. Gallen

Frauen, Macht und Mode: Eine Ausstellung im Textilmuseum.

Die Ausstellung ist kurzweilig und bringt einen perfekten Mix von frühen Regentinnen und aktuellen Politikerinnen. Den Schweizer Politikerinnen wird extra viel Platz eingeräumt, was ich an der Ausstellung besonders mag.

Alles in allem eine sehr gelungene Ausstellung, die das Thema Mode, Macht und Frauen wunderbar und kurzweilig präsentiert und meine Vorurteile ausräumt. Genau das mag ich!

In St. Gallen findet ich überall starke Frauen. Weitere Infos zur Thematik und den Feierlichkeiten des 50-jährigen Jubiläums des Frauenstimmrechts gibts hier:

Weitere Tipps für einen Aufenthalt in St. Gallen

  • Übernachtung: Hotel Einstein. Hier findest du auch einen speziellen Ladies Floor.
  • Essen: Die Spezialitäten – Bratwurst und Biberli – sind nichts für mich. Ich mag beides nicht. Aber ich habe mit der Bowl beim Gemperli habe ich eine hervorragende Alternative gefunden.
  • Best Of: Die Stiftsbibliothek. Gehört zum UNESCO Weltkulturerbe und ist ein Muss für alle Bibliotheksliebhaber:innen.
  • Aussicht: Mit der Mühleggbahn zu den Drei Weieren. Wer Lust auf mehr hat, unternimmt eine kleine Wanderung bis zum Wenigerweiher und zurück.

Hast du St. Gallen auch schon besucht?

Disclaimer: Ich wurde im Rahmen einer Pressereise nach St. Gallen eingeladen. Alle Ansichten sind meine eigenen.

Über die/den Autor/in

Früher als soloreisende Backpackerin, bin ich heute am liebsten mit der ganzen Familie unterwegs. Ich lebe, reise und arbeite auf der ganzen Welt und geniesse es, Jürgen und unsere Kids immer mit dabei zu haben. Mein Herz schlägt für Hawaii, Kryptowährungen und Schokoladeneis. Mein Ziel ist finanzielle Freiheit für mich und meine Familie.

2 Kommentare

  • Marco
    11. Mai 2021 um 11:46

    Ist interessant mal etwas über eine Stadt zu lesen in der man selbst regelmässig unterwegs ist. Für mich meistens nur eine durchfahrt auf dem Motorrad, doch ich sollte doch mal wieder die Stadt zu Fuss mit der Kamera erkunden.

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    • Sarah
      11. Mai 2021 um 20:33

      Ich finds auch immer wieder spannend über Orte zu lesen, die ich selber gut kenne. Ein anderer Blick ist immer gut!

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