Es gibt die kleinen, freudigen Überraschungen. Eine davon ist unsere Entdeckung der Piumogna-Wasserfälle im Tessin. Ganz besonders der unbekanntere der beiden Wasserfälle, den man nur mit einer Wanderung erreicht, hat uns in seinen Bann gezogen.
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Zweifelhaft schaue ich mir die Gondel an. Sieht die nicht etwas alt aus? Ist die überhaupt noch fahrtüchtig? Am liebsten würde ich gar nicht einsteigen, aber vor den Kindern will ich mir natürlich nichts anmerken lassen und ich steige ein und schliesse die Tür hinter mir.
Aber von vorne, denn eigentlich war etwas ganz Anderes geplant. Wir wollten uns den Piumogna-Wasserfall anschauen, welcher eine bekannte Attraktion in Faido ist. Wunderschön ist er und ergiesst sich in türkis-blauem Wasser in einer schönen Badebucht. Ein herrliches Ziel und mit Kindern super zu erreichen. Der Parkplatz ist direkt vor dem Fall und auch mit dem Zug ist er problemlos erreichbar. Dementsprechend ist er auch gut besucht.
Am Abend vorher stossen wir zufälligerweise auf die Information, dass es noch einen zweiten Wasserfall gibt. Einer, der etwas versteckter liegt und nur mit einer Wanderung erreichbar ist. Wir sind ausgerüstet fürs Wandern, die Wetterprognose ist gut und wir beschliessen spontan, dass wir am nächsten Tag die Wanderung unternehmen. Da wissen wir noch nicht, was auf uns zukommt.
Von Faido auf die Alp Piana Selva
In Faido schauen wir uns erst einmal den grossen, bekannten Wasserfall an. Wir halten uns aber nicht zu lange auf, da wir am Schluss hier entspannen wollen. Wir laufen also zielstrebig zur Gondel, nachdem wir die Kinder an dem grossen Spielplatz vorbeigelotst haben.
Ganz ehrlich: Die Wanderung die folgt ist der Hammer. Aber der ganze Ausflug lohnt sich bereits wegen dieser Gondelfahrt. Als Schweizerin bin ich mir alle möglichen Gondeln gewohnt, aber so eine habe ich tatsächlich noch nie gesehen.
Sie steht da, als wäre sie ein antikes Stück zum Bestaunen, direkt aus dem Museum. Wenn ich es nicht vorher gewusst hätte, würde ich wahrscheinlich annehmen, dass diese Gondel nur noch aus nostalgischen Gründen hier steht. Aber ich setze mich hinein und schliesse die Türe hinter mir.
Innendrin ist genau beschrieben, was wir zu tun haben:
- Hinsetzen
- Türe Schliessen
- Knopf „Anrufen“ drücken
- Warten
- Bei Ankunft bezahlen
- Gute Reise
Bis Punkt 3 ist für uns klar was zu tun ist und gespannt warten wir, was jetzt passiert. Plötzlich ertönt aus dem Lautsprecher eine Stimme, die uns auf Italienisch Anweisungen gibt. Zu meiner Schande verstehe ich nicht allzu viel und so bleiben wir einfach ratlos sitzen. Wir sind aber bei weitem nicht die ersten Deutschschweizer die keine Ahnung haben und so setzt sich die Gondel plötzlich in Bewegung.
Ich muss lachen, eine wirklich lustige Angelegenheit hier. Die Gondel bewegt sich steil bergauf und wir geniessen die Sicht über Faido. Als wir den Kamm überqueren, erreichen wir auch gleich schon die Alp Piana Selva und werden bereits erwartet. Wir bezahlen bei Ankunft unsere Gondelfahrt und erhalten Auskunft über unseren geplanten Weg. Die Türe der Gondel lässt sich übrigens mit dieser speziellen Vorrichtung öffnen.
Auf der Alp Piana Selva findet sich ein sympathisches Agrotourismo mit Pool, einigen Tieren und einer grandiosen Aussicht über das Tal. Ein Ausflug hierhin lohnt sich bereits deswegen, auch ohne Wanderung.
Durch den Wald nach Piumogna
Hinter der Gondelstation biegen wir rechts ab und laufen ein paar Meter geradeaus. Die Aussicht ist bereits herrlich hier! Beim ersten Wegweiser ist Piumogna mit einer Laufzeit von 1 Stunde bereits angeschrieben und wir laufen links den Wald hoch.
Ab hier führt uns der Weg durch einen schönen Wald. Wir sind alleine, kurz begegnen wir einem Förster. Ansonsten hören wir nur unsere Schritte auf weichem Moos. Herrliches Grün und viel Farn hauchen dem Wald etwas Mystisches ein.
Unterwegs legen wir eine Mittagspause ein und verspeisen auf dem Waldboden unser mitgebrachtes Picknick. Es geht weiter steil bergauf. Unseren Jüngsten trage ich in der Kraxe. Die Tochter läuft zwar immer wieder einige Stücke, sitzt aber auch immer mal wieder auf Jürgens Schultern.
Durch die spontane Entscheidung wandern zu gehen, haben wir nicht alle Details recherchiert und wir sind überrascht, wie steil und anstrengend der Weg zum Teil ist. Wahrscheinlich hätten wir die Tour nicht gemacht, wenn wir so richtig gut recherchiert hätten. Wir hätten sie wohl für zu steil und zu lange für uns befunden. Manchmal ist es aber gar nicht so schlecht, wenn man einfach mal reinrasselt und losläuft, so wie wir jetzt.
Ich bin froh, dass wir hier unterwegs sind. Der Weg ist herausfordernd mit kleinen Kindern, aber wir haben unsere Komfortzone verlassen und bemerkt, dass viel mehr möglich ist, als angenommen. Unsere Kinder haben bisher noch keine längeren Wanderungen mitgemacht und wir sind überrascht, wie gut das jetzt klappt.
In Polpiano, auf 1365 M.ü.M., machen wir einen kleinen Umweg, da Piumogna angeschrieben steht und wir annehmen, dass dies der Wasserfall ist. Wir laufen auf die Alp und merken bald, dass wir hier falsch sind. Dennoch, der Abstecher ist perfekt, da die Kinder müde sind und wir eine Pause einlegen. Wir legen uns hin und entspannen. Neben uns rauscht der Bergbach vorbei.
Es fühlt sich an, als wären wir ganz woanders, als im Tessin. Die Gegend erinnert mich an Bilder aus Kanada. Hier ist eine ganz andere Welt und wenn nächstens ein Bär um die Ecke kommen würde, fände ich es wohl gar nicht mal so überraschend.
Zum oberen Piumogna-Wasserfall
Wir wandern die 10 Minuten wieder zurück und biegen nach der Brücke rechts ab und laufen in Richtung Dalpe. Der Weg führt teils wieder steil bergab, aber unsere Tochter macht das super. Mit Geschichten und Rätseln halten wir sie bei Laune und plötzlich stehen wir vor dem Wegweiser, der den Wasserfall ausschildert.
Einige Meter runter und wir stehen vor dem eindrücklichen Wasserfall, für den wir eigentlich die ganze Tour gemacht haben. Er ist bezaubernd schön. Der Lichteinfall lässt die Tropfen glitzern und die Stimmung ist perfekt.
Wasserfälle sind irgendwie ein Ding bei mir, sie faszinieren mich immer sehr. Die Schweiz ist zum Glück ein Land mit vielen Wasserfällen und wir haben schon einige davon besucht. Aber auch weltweit durfte ich schon wunderschöne Wasserfälle sehen, wie beispielsweise auf Big Island auf Hawaii, die Iguazu-Fälle in Länderdreieck Brasilien, Argentinien und Uruguay oder viele versteckte Wasserfälle in Laos, den Philippinen oder in Mexiko.
Belohnung in Dalpe
Vom oberen Piumogna-Wasserfall laufen wir weiter bis nach Dalpe. Das hübsche Bergdorf wartet mit einer Belohnung auf uns: Ein hübscher Spielplatz für die Kinder. Und wie sie sich freuen! Hier machen wir also unsere letzte Wanderpause und lassen die Kinder nach Herzenslust spielen und sich im Brunnen pitschenass spritzen. Wir geniessen derweil die Aussicht und das Dorf.
Das letzte Teilstück zurück nach Piana Selva dauert nicht mehr lange und führt über einen angenehmen Waldweg entlang des Flusses zurück zum Agrotourismo, wo auch schon die Gondel auf uns wartet. Die ganze Tour hat bei uns etwa 4 Stunden gedauert – mit vielen Pausen, Spielplatzbesuchen, Fotostopps und einem kleinen Umweg.
Wir lassen uns damit wieder zurück nach Faido bringen und kommen erschöpft, aber überglücklich wieder unten an.
Der untere Piumogna-Wasserfall
Hier geniessen die Kinder den grossen Spielplatz und am Schluss gibt’s für alle noch ein Eis. Ich spaziere noch entlang des unteren Wasserfalls und schaue mir die Umgebung an. Ich finde einen gemütlichen Lehrpfad, der vom Wasserfall entlang des Bachs zurück zum Spielplatz führt. Im Wald gibt es Holztische für Picknicks und Grillstellen.
Ausserdem besteht die Möglichkeit, den Wasserfall von oben anzuschauen, aber leider ist der Weg dahin ab der Hälfte wegen Holzschlags gesperrt. Schade, aber eigentlich haben wir für heute genügend Wasserfälle gesehen.
Die Tour zu den Piumogna-Wasserfällen gehört definitiv zu den schönsten Ausflügen, die wir diesen Sommer unternommen haben. Hier gibt es einfach alles: spektakuläre Natur, viel Wasser, kleine Herausforderungen und schöne Wanderwege und auch viele Angebote für die Kinder. Ausserdem ist die Wanderung zum oberen Wasserfall nicht sehr bekannt und dementsprechend sind auch nur wenige Leute unterwegs – trotz Sommerferien und schönem Wetter.
Weiter im Tessin
Dieser Ausflug lohnt sich für Ambitionierte ab Zürich sogar als Tagesausflug. Schöner ist es natürlich in der Umgebung zu übernachten. Unser Essens- und Übernachtungstipp ist das Bed- & Bike Tremola (Affiliate-Link). Ein kleines, sehr hübsches Hotel mit hervorragendem Essen. Es gibt keine Familienzimmer, aber die Betreiber sind unkompliziert und hilfsbereit und wir konnten einfach eine grosse Matratze ins Zimmer kriegen. Gross genug ist es und Airolo ist ein hübsches Dorf, in dem man gut übernachten kann.
Alternativ lohnt sich auch die Weiterfahrt ins Bedrettotal, in dem sich die unbekannteren Seiten des Tessins weitererkunden lassen. Wer den See und den Süden bevorzugt, reist weiter Richtung Locarno und Verzasca-Tal. Aber schlussendlich ist das gar nicht so wichtig, denn im Tessin ist es eigentlich überall schön!
Kanntest du den Piumogna-Wasserfall schon?
Disclaimer: Wir wurden von Ticino Tourismo im Rahmen einer Recherchereise unterstützt. Vielen Dank.
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