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Veränderung auf Langzeitreisen: Gedanken zu einem Klischee

Unterwegs in Amerikas Nationalparks - Hier im Joshua Tree Nationalpark.

Oft höre ich von Langzeitreisenden, dass sie sich verändert haben. Das sie auf Reisen ein anderer Mensch geworden sind. Und das zu Hause immer noch alles so ist, wie sie es verlassen haben. Das heisst also, daheim bleibt die Zeit stehen und unterwegs erlebt man so viel, dass man sich zwangsläufig verändert? Und das nur zum Guten? Was ist dran an dieser Aussage? Stimmt sie? Oder ist sie nur eine Art Klischee? Und wenn Nein, wie tief reichen die Veränderungen und schneiden in unser Leben ein?

Lernen in der Fremde

Auf Langzeitreisen werden unwillkürlich einige Lernprozesse in Gang gesetzt. Wir lernen, andere Sprachen zu sprechen und uns mit Händen und Füssen zu verständigen. Wir lernen, mit Leuten klarzukommen, die uns auf den ersten Blick unsympathisch erscheinen. Wir lernen, uns an ungeplante Situationen anzupassen und das beste aus jeder Begegnung zu machen. Genau dann lernen wir auch, dass wir selber dafür verantwortlich sind, wie es uns geht. Das ist wahrscheinlich einer der wertvollsten Lerneffekte bei einer Langzeitreise, in erster Linie bei einer Soloreise. Wenn plötzlich niemand mehr da ist, dem wir die Schuld geben können. Keine Mutter und kein Vater, kein Lehrer, Boss und kein Partner.

Wir lernen Dinge zu essen, die uns widerlich erscheinen. Wir lernen, zuerst zuzuhören, bevor wir urteilen. Wir lernen, allen Menschen zuerst eine Chance zu geben. Schliesslich wollen wir dieses Recht ja auch in Anspruch nehmen. Der wichtigste Teil dieser ganzen Lerneffekte ist wahrscheinlich, dass wir das alles tatsächlich lernen. Wir lesen es nicht nur in einem Buch, sondern stolpern tagtäglich in Situationen, wo genau das alles passiert.

Lernen ist Veränderung

Was aber hat das jetzt mit Veränderung zu tun, fragst du dich? Eine endlos scheinende Aufzählung von Lerneffekten einer Langzeitreise? Na ja, wer lernt, der entwickelt sich weiter. Wer sich weiterentwickelt, der verändert sich. Veränderung ist gut und tut gut, soviel steht fest. Aber hätten wir all diese Dinge nicht auch erlebt und gelernt, wenn wir zu Hause geblieben wären? Das hört sich ja ganz so an, als wären alle Langzeitreisenden super coole, erfahrene Alleswissende, die die Weisheit mit dem Löffel gefressen haben.

Aber nein, das will ich damit bestimmt nicht sagen. Ein Langzeitreisender ist weder besser noch schlechter als jemand, der nie für längere Zeit im unbekannten Ausland unterwegs war. Auch der erfahrenste Langzeitreisende kann der grösste Volldepp sein. Ja, die habe ich nämlich unterwegs auch getroffen. Nur weil man die Chance hat soviel zu lernen, heisst das nicht automatisch, dass die auch jeder wahrnimmt.

Aber nehmen wir jetzt einfach mal an, dass weder du noch ich solche Volldeppen sind. Dann würden wir alles was wir unterwegs lernen sehr wahrscheinlich auch sonst irgendwann in unserem Leben zustande kriegen. Viele meiner Freunde beispielsweise sind noch nie für längere Zeit im Ausland gewesen. Aber sie sind die allercoolsten und offensten Menschen überhaupt.

Was also will ich denn hier eigentlich sagen?

Ich bin der Meinung, dass wir all diese unglaublich wertvollen Dinge unterwegs lernen und, dass wenn wir auch nur ein bisschen mit Verstand, offenem Herzen und einer ungezügelten Neugier durch die Welt gehen, all das neu erlernte auch anwenden können.

Und ja, ich glaube, Langzeitreisen verändert alle. Mich verändert es jedenfalls. Nicht grundlegend, denn ich bin wer ich bin und werde auch immer so sein. Aber es passiert unterwegs einfach so vieles, man wird so oft aus seiner Komfortzone gerissen, dass man sein ganz persönliches Spektrum um einen riesen Schritt erweitert. Man dehnt die eigene Komfortzone aus, sie wird grösser. Viel grösser. Und plötzlich nimmt man sich selbst und die Welt anders wahr. Man sieht Möglichkeiten, wo vorher keine waren. Und man nimmt sie wahr.

Veränderung auf Langzeitreisen: Gedanken zu einem Klischee

Veränderung im Alltag

Aber verändert das Reisen die Menschen denn nur positiv? So ganz Allgemein würde ich diese Frage wahrscheinlich bejahen. Weil mir einfach nichts Negatives einfällt.

Das Reisen – und hier meine ich ganz stark das Alleinreisen – hat meinen Charakter gefestigt und mich selbstbestimmter gemacht. Ich stehe mit beiden Beinen auf dem Boden und ich bin der Überzeugung, dass das Reisen mich dahin gebracht hat, wo ich jetzt bin. Und ich mag, wo ich jetzt bin.

Für mich ist Reisen positiv, es hat mich zum Guten verändert, mich toleranter, neugieriger und belastbarer gemacht. Und selbstsicherer. Reisen hat mich vieles gelehrt, dass kein Seminar anbietet und auch nicht in einem Buch zu finden ist. Denn ich habe es erlebt und nicht nur darüber gelesen oder debattiert, auch keine Trockenübungen gemacht.

Die grösste Gefahr bei dieser Art von Veränderung ist vielleicht, dass man durch all die Erfahrungen irgendwann nicht mehr in sein altes Umfeld passt. Ganz einfach deshalb, weil die Erlebnisse, Interessen und Zukunftsaussichten in so unterschiedliche Richtungen zeigen, dass irgendwann einfach der Gesprächsstoff ausgeht und so Freundschaften einschlafen oder sich auseinanderleben. Der Fokus aufs Leben wird unter Umständen völlig anders.

Da helfen nur enger Kontakt mit der Heimat halten oder sich in der glücklichen Situation wie ich befinden: Nämlich Freundschaften zu haben, die seit Kindsbeinen an bestehen. Da ist es auch ganz normal, dass sich die Lebenswege sehr unterschiedlich entwickeln und das Verständnis ist für alle sehr hoch. Und wenn auch diese nicht bestehen, war es wohl einfach an der Zeit, sich weiterzuentwickeln.

Reisen – Langzeitreisen – verändern uns. Sie machen etwas mit uns, zeigen neue Lebenswege auf, werfen alte Ansichten über Bord und fokussieren das Leben und die Ziele vielleicht ganz neu.

Im Grossen und Ganzen sind das sehr gute Veränderungen, die je nach Dauer einer Langzeitreise unterschiedlich schwere Auswirkungen auf uns haben. Eine nicht zu unterschätzende Rolle spielt natürlich auch das Alter. Wer mit 20 Jahren das erste Mal eine Langzeitreise unternimmt verändert sich bestimmt viel mehr, als auf der selben Reise mit 30 Jahren. Oder 40 Jahren. Aber so allgemein kann das eigentlich nicht gesagt werden, denn je nach Hintergrund und Persönlichkeit ist die Veränderung die auf einer Langzeitreise stattfindet von unterschiedlicher Auswirkung.

Ich bleibe aber bei meiner Meinung: Reisen verändert. Uns alle, in einem gewissen Grad auch die Angehörigen und Freunde. Und das ist gut so. Denn Reisen soll verändern. Auch wenn es manchmal weh tut.

Wie ist das bei dir, hat dich eine Reise verändert? Und wenn ja, wie? Hast du nur positive Erfahrungen gemacht oder auch negative Veränderungen festgestellt? Ich bin gespannt auf deine Erfahrungen!

Ps. Hier entlang, wenn du kleine Helferlein bei deiner Weiterentwicklung suchst….

Über die/den Autor/in

Früher als soloreisende Backpackerin, bin ich heute am liebsten mit der ganzen Familie unterwegs. Ich lebe, reise und arbeite auf der ganzen Welt und geniesse es, Jürgen und unsere Kids immer mit dabei zu haben. Mein Herz schlägt für Hawaii, Kryptowährungen und Schokoladeneis. Mein Ziel ist finanzielle Freiheit für mich und meine Familie.

11 Kommentare

  • Daniela
    5. November 2014 um 9:27

    Hallo Sarah,

    Reisen kann auch jeden Fall verändern, wenn man mit offenen Augen und Herzen in die Welt geht. Ich würde es aber nicht nur auf das Langzeitreisen beziehen. Auch ein Kurztrip oder eine normale Reise können Veränderungen anstossen – je nachdem, was man vor Ort erlebt und was das in einem selber bewirkt. Bei mir z.B. die erste nur 3-wöchige Reise in das südliche Afrika, wo ich in der ersten Sekunde das Gefühl hatte, angekommen zu sein (und auch nach der xten Reise dorthin ändert sich das Gefühl nicht) – und die meinen Berufsweg mitbestimmt hat.

    Generell würde ich aber sagen, dass einen jede längerfristige örtliche Veränderung, dass kann auch der Auszug zum Studium und wenns nur in die Nachbarstadt ist, etc. stark verändert.

    Viele Grüsse

    Daniela

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    • Sarah
      9. November 2014 um 7:56

      Du hast recht, Daniela. Es sind nicht nur Langzeitreisen, wo man etwas lernen kann. Es gibt selbstverständlich noch viele weitere Chancen dazu, ebenso auf kürzeren Trips, Auslandsemestern oder ähnliches. Aber egal wie lange wir reisen, auf eine gewisse Art wachsen wir bestimmt daran. Schon nur dadurch, dass wir unsere Komfortzone erweitern.

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  • Florian
    6. November 2014 um 2:43

    Wenn mir jemand erzählen will, dass er/sie so viel gelernt hat auf Reisen, dann denke ich mir insgeheim, dass da noch viel Potential ist, z.B. Bescheidenheit…

    Klar kann man Reisen als Chance nehmen zu lernen, aber das ist weder eine notwendige noch hinreichende Folge einer Reise.

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    • Sarah
      9. November 2014 um 7:54

      Alles auf einmal wird wohl kaum jemand lernen 😉 Aber was ich beschrieben habe sind Dinge, die man unterwegs lernen kann. Ich glaube schon, dass das Lernen (wovon auch immer) eine hinreichende Folge des Reisens ist. Wer dabei gar nichts lernt, muss schon sehr ignorant durch die Welt ziehen.

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  • Nora
    7. November 2014 um 0:42

    Hi Sarah, ich stimme dir mit allem zu.
    Natürlich verändert einen das Reisen in jeder Hinsicht. Jedes Mal wenn man neue Emotionen lebt, neue Orte sieht die einem in der Seele eingeprägt bleiben, vielleicht auch Leute kennenlernt die man lieb gewinnt und sich von diesen verabschieden muss. Egal was passiert jede Reise verändert uns ein klein bisschen. Klar verändert es nicht komplett unseren Charakter. Zumindest finde ich, dass man sich treu bleiben sollte ohne immer zu versuchen jemand anderes zu sein.
    Bei mir ist es so, dass natürlich die Freunde nicht alle immer diese Reiselust nachvollziehen können und jedes mal wenn ich wiederkehre merke ich wie sich bei ihnen nichts verändert hat und bei mir aber schon. Es sind natürlich tolle Freunde auf die ich immer zählen kann und ich muss mich damit abfinden dass ich meine Erfahrungen einfach mit gleichgesinnten teilen muss und mit meinen Freunden zum Kaffee trinken gehen kann und über den neuesten klatsch und tratsch zu reden.

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    • Sarah
      9. November 2014 um 7:52

      Ja, wahrscheinlich verändert uns jede Reise auf irgend eine Art, egal wie lang sie ist. Schliesslich erlebt man ja immer Dinge und aus denen lernt man ja zwangsläufig irgendwas. Was auch immer das dann ist… Danke fürs Teilen deiner Gedanken, Nora.

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  • Simon
    10. November 2014 um 10:02

    Hallo Sarah
    Ich finde, Reisen macht weder schlauer, noch besser, aber es öffnet den eigenen Horizont.
    Zusätzlich hat es mich über Vieles nachdenken lassen. Über grundlegende Dinge, Lebensarten von mir selbst oder von uns Schweizern…

    Liebe Grüsse,
    Simon

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    • Sarah
      10. November 2014 um 10:25

      Da kann ich dir zustimmen. Besser oder schlauer macht Reisen kaum (ein bisschen schlauer als vorher vielleicht, wenn man eine neue Sprache lernt). 😉
      Das Nackdenken über das Leben, den Lebensstil und was einem wichtig ist, kann sich bestimmt sehr verändernd auswirken. Was ja auch gut ist, denke ich…

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      • Simon
        10. November 2014 um 18:43

        Also… es macht vielleicht schon schlauer (als vorher), aber nicht zwingend schlauer, als wenn man nicht reist.

        Jedenfall habe ich gelernt, mich kompliziert auszudrücken 😉

        liebä gruess

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  • […] Das ist eine schwierige Frage. Ich habe hier erst vor kurzem versucht eine Antwort zu finden. Generell hat mich das Reisen gelehrt unabhängig […]

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  • […] ja schon angetönt, dass ich auch meiner Weltreise unglaublich vieles gelernt habe. Eine Weltreise ist einfach perfekt dafür! Das hat auch damit zu tun, dass ich noch viel mehr gelesen habe als sonst schon. Darunter […]

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