Kosovo

Kosovo: Ein Besuch im jüngsten Land Europas

Die nie fertig gebaute Christ-Erlöser-Kirche in Pristina.

Obwohl Reisen auf den Balkan immer populärer werden und einige Ziele geradezu einen Boom verzeichnen, gehört der Kosovo nicht zu diesen Ländern. Nicht viele Reisende zieht es in den kleinen Staat auf dem Balkan. Als Reiseland erscheint es mittlerweile erst auf der Durchreise nach Albanien.

Aber ist nicht genau dass ein Grund dorthin zu reisen? Ein Land kennenzulernen, welches noch nicht vom Tourismus überlaufen ist und wo mit Sicherheit nicht jeder zweite schon mal gewesen ist. Auf Einladung von Air Prishtina habe ich genau das getan und war sehr überrascht, was das Land alles zu bieten hat.

Überraschender Kosovo!

Überraschender Kosovo!

Hier erstmals ein paar Facts, um das Land etwas besser einzuordnen:

  • Lage: Der Kosovo liegt mitten auf dem Balkan, umgeben von Serbien, Albanien, Montenegro und Mazedonien. Das Land hat keinen Meerzugang.
  • Sprache: Amtssprache ist Albanisch, vereinzelt wird auch Serbisch gesprochen.
  • Klima: gemässigtes Kontinentalklima mit Sommern um die 40 Grad und verschneiten Wintern.
  • Währung: Obwohl der Kosovo kein Mitglied in der EU ist, wird mit Euro bezahlt.

Wissenswertes

  • Der Kosovo ist mit 10 Jahren das jüngste Land Europas. Am 17. Februar 2008 proklamierte das Parlament die Unabhängigkeit von Serbien. Bis jetzt ist der völkerrechtliche Status umstritten, 112 der 193 Mitgliedstaaten der Vereinten Nationen erkennen die Republik Kosovo an.
  • Für die Einreise ist ein Reisepass notwendig. Achtung: Serbien erkennt Kosovo nicht als eigenen Staat an. Daher ist eine Ausreise nach Serbien mit einem Stempel aus dem Kosovo nur möglich, wenn auch die Einreise über Serbien stattgefunden hat.
  • Kosovo ist ein säkularer Staat, d.h. mit Religion wird in der Gesellschaft locker und eher pragmatisch umgegangen. Der grösste Teil der Bevölkerung bekennt sich zum Islam. Es gibt serbisch-orthodoxe und römisch-katholische Minderheiten. Das Zusammenleben gestaltet sich in der Regel problemlos.
  • In abgelegenen, meist bergigen Gebieten des Kosovos wird noch heute nach Kanun gelebt, dem alten Gewohnheitsrecht der Albaner. Pristina und urbane Gegenden sind modern und fortschrittlich.
  • Es findet sich eine grosse Szene an Cafés. Die Kosovaren lieben ihren „Macchiato“, was eigentlich ein normaler Milchkaffee ist. Dieser ist aber jeweils ausgezeichnet!
  • Die Kosovaren lieben ihre Rolle als Gastgeber und freuen sich über Touristen. Mit Freude sprechen sie Einladungen aus, führen einem rum und erklären stolz die noch so kleinsten Details über ihr Land.
  • Der Kosovo hat die jüngste Bevölkerung Europas.
  • Der Kosovokrieg ist immer noch allgegenwärtig. Es gibt viele Denkmäler und Soldatenehrungen am Strassenrand und in den Städten.
  • Der Kosovo gilt als sicheres Reiseziel.

    Der Kosovo hat viele Gesichter.

    Der Kosovo hat viele Gesichter.

Entdeckungsreise durch Pristina

Erster Berührungspunkt ist natürlich die Hauptstadt Pristina. Zentrum ist der Mutter-Theresa Boulevard mit dem Skanderberg Platz. Hier bekommt man ein gutes Gefühl für die Hauptstadt und dessen Bewohner. Der Boulevard ist voll mit Cafés und Menschen. Hier wird flaniert, gekauft und getratscht. Am besten setzt man sich einfach irgendwo hin und schaut den Menschen beim Vorbeigehen zu. Besonders abends findet hier dann das Spektakel des Schaulaufens statt.

Am Skanderbergplatz befindet sich auch das Parlament, Ministerien und das Theater von Pristina.

Die Skanderbergstatue in Pristina.

Die Skanderbergstatue in Pristina.

Mitten in Pristina.

Mitten in Pristina.

Unterwegs im jüngsten Land Europas.

Unterwegs im jüngsten Land Europas.

Pristina: Mal was Neues zum entdecken!

Pristina: Mal was Neues zum entdecken!

Mitten in der Stadt finden sich fast gegenüber zwei sehr unterschiedliche Denkmäler. Eines davon ist das bekannte Newborn. Das Monument wurde am Tag der Unabhängigkeitserklärung von Serbien enthüllt. (Fast) jedes Jahr wird es neu gestaltet. Einmal mit allen Flaggen der Länder, welche den Kosovo als unabhängigen Staat anerkennen, ein anderes Mal wird mit der Gestaltung auf die strengen Visavorschriften für die Kosovaren hingewiesen. Ein politisches Statement ist aber immer dabei. Zum 10. Geburtstag ist dieses Jahr auch wieder eine Neugestaltung durchgeführt worden.

Newborn - sinnbildlich für den jüngsten Staat Europas.

Newborn – sinnbildlich für den jüngsten Staat Europas.

Fast gegenüber auf der anderen Strassenseite findet man das Heroinat Denkmal. Dieses zeigt das Gesicht einer Frau und besteht aus 60’000 Münzen mit wiederum diesem Kopf. Das Denkmal ist zu Ehren der ebenso vielen Frauen, die im Kosovokrieg vergewaltigt worden sind.

Das Heroina Denkmal in Pristina.

Das Heroinat Denkmal in Pristina.

Zu Ehren all den Frauen, die im Kosovokrieg so schlimmes erleben mussten.

Zu Ehren all den Frauen, die im Kosovokrieg so schlimmes erleben mussten.

Eine besondere Ecke der Stadt befindet sich auf dem Boden der Nationalbibliothek. Hier steht  die Christ-Erlöser-Kirche, welche 1995 angefangen wurde zu bauen und bis heute nicht fertiggestellt ist. Da dieser Bau stark politisch behaftet ist, ist die Zukunft ungewiss. Sie bietet aber einen tollen Kontrast zu den Wohnhäusern im Hintergrund.

Die nie fertig gebaute Christ-Erlöser-Kirche in Pristina.

Die nie fertig gebaute Christ-Erlöser-Kirche in Pristina.

Gleich nebenan befindet sich die Nationalbibliothek des Kosovos. Diesen Bau musst du dir unbedingt ansehen und zwar einfach aus dem Grund, weil er so hässlich ist. Der Daily Telegraph kürte die Bibliothek sogar zum dritthässlichsten Gebäude der Welt! Mich erinnert es in erster Linie an ein Gefängnis. Du kannst dir bereits anhand der Fotos ein eigenes Bild machen…

Die doch einigermassen spezielle Nationalbibliothek in Pristina.

Die doch einigermassen spezielle Nationalbibliothek in Pristina.

...gewählt zum dritthässlichsten Gebäude der Welt.

…gewählt zum dritthässlichsten Gebäude der Welt.

In Pristina lässt sich der Bunte Mix des Kosovos besonders gut spüren. Nach einem ersten Besuch stellt sich natürlich die Frage: Was macht man denn sonst noch so in diesem Land? Mehr als du dir vorstellen kannst, es gibt für alle was:

Für Archäologen: Die Ausgrabungsstätte Ulpiana

Nicht weit entfernt von der Hauptstadt befindet sich die Ausgrabungsstätte Ulpiana. Die grösste Stätte seiner Art im Kosovo zeugt von der strategischen Bedeutung der Region und wurde nicht zuletzt auf Grund der nahe gelegenen Edelmetallvorkommen dort gegründet.

Der sehr engagierte Guide Milot erzählt und erklärt mit viel Herzblut von den Ausgrabungen der römischen Stadt, den Vermutungen und Wahrscheinlichkeiten der Funde in der Umgebung. Die Liebe zur Archäologie und seinem Land ist fast mit Händen greifbar. Ein wahres Erlebnis, wenn man sich von ihm durch die Gegend führen lässt!

Einblick in die Ausgrabungsstätte Ulpiana in der Nähe von Pristina.

Einblick in die Ausgrabungsstätte Ulpiana in der Nähe von Pristina.

Für Historiker: Die Adem Jashari Gedenksätte in Prekaz

Im Kosovo sind überall Gedenkstätten für die Opfer des Krieges anzutreffen. Die wahrscheinlich wichtigste davon ist die Gedenkstätte für Adem Jashari in kleinen Dorf Prekaz. Jashari ist Namensgeber für Schulen, Plätze, Strassen und sogar der Flughafen wurde nach ihm benannt.

Das Haus von Adem Jeshari.

Das Haus von Adem Jeshari.

Der Mitbegründer der UCK verschanzte sich im März 1998 mit seiner ganzen Grossfamilie im Wohnhaus, welches heute zur Gedenkstätte gehört und besichtigt werden kann, vor der serbischen Polizei. Nach tagelangen Gefechten waren 58 Jasharis tot und der Kosovokrieg eskalierte. Dies die Kurzfassung, das ganze gestaltet sich natürlich einiges komplexer.

Die vielen Parkplätze vor den Monumenten sind nie leer. Die Gedenkstätte ist heute wichtigstes Pilgerziel der Kosovo-Albaner und gerade auch bei der Diaspora fast als heilig angesehen und ein Besuch ein Muss. Ganze Schulklassen werden hergefahren und sind geradezu auf Pilgerfahrt.

Der Heldenkult treibt seltsame Blüten. Oder jedenfalls Plastikblumen, welche an den Gedenkstätten niedergelegt werden. Die Verehrung an den eigens mit Marmor, wehenden Fahnen und Konterfeis der Märtyrer gestalteten Denkmälern, kann für Aussenstehende nicht so recht nachvollzogen werden. Für unsere Augen bieten diese übergrossen Denkmäler manchmal ein komisches Bild. Aber gerade auch weil dieser verklärende Heldenkult so wichtig für die Kosovo-Albaner ist, sollte die Jeshari Gedenkstätte besucht werden. Sie bietet einen Einblick in eine für uns undurchsichtige Seele der Bewohner des Landes.

Die Gedenkstätte für Adem Jeshari und seinen Clan.

Die Gedenkstätte für Adem Jeshari und seinen Clan.

Konferfei von Adem Jeshari.

Konterfei von Adem Jeshari.

Für Kulturliebhaber: 1000 Wandfresken im Kloster Visoki Decani

Es gibt einig Klöster und Kirchen, die ich mittlerweile gesehen habe. Viele davon sind schön, einige sehr schön, aber das Innenleben des Klosters Visoki Decani ist etwas ganz besonderes. Selten habe ich so eine beruhigende Stimmung wahrgenommen, wie in diesem Kloster. Die Wandmalereien suchen seinesgleichen und das obwohl die Kirche ganz ohne den herkömmlichen Prunk auskommt. Die Unterdachstützen aus Holz und die Vögel, die es sich da gemütlich gemacht haben, tauchen die Kirche in einen ganz eigenen rustikalen Charme. Die Kirche gehört zum Weltkulturerbe der UNESCO. Leider ist das Fotografieren im Inneren des Klosters verboten.

Visoki Decani - Teil des UNESCO Weltkulturerbes.

Visoki Decani – Teil des UNESCO Weltkulturerbes.

Eine weitere Besonderheit ist, dass vor dem Besuch auf dem Gelände des Klosters der Pass bei der davor stationierten Kfor abgegeben werden muss. Offiziell gehört dieser Teil zum Staatsgebiet von Serbien und man vollzieht quasi einen Grenzübertritt. 

Das Kloster Visoki Decani.

Das Kloster Visoki Decani.

Für Architekten: Die Schneiderbrücke

In der Nähe der Stadt Gjakova kann die Schneiderbrücke bestaunt werden. Erbaut wurde sie Ende des 15. Jahrhunderts und der Name geht auf die Zunft der Schneider zurück, welche die Brücke in Auftrag gegeben haben. Besonders eindrücklich ist der direkte Vergleich der modernen Autobrücke, welche parallel nebenan verläuft.

Die Schneiderbrücke im Kosovo.

Die Schneiderbrücke im Kosovo.

Für Foodies: Essen überall!

Der Balkan ist bekannt für deftiges und fleischlastiges Essen. Der Kosovo macht hier keine Ausnahme und tischt in gleicher Manier auf. Essen ist keine Sache die mal so nebenbei läuft, sondern ein Event. Dementsprechend wird viel und oft gegessen. Hier meine Empfehlungen:

  • Pristina: Das In-Restaurant Soma Book Station, welchem du unbedingt einen Besuch abstatten musst, wenn du in der Stadt bist. Bereits die Einrichtung ist es wert gesehen zu werden. Das Essen ist international ausgerichtet, Filet Mignon mit Spinat und Kartoffeln an Rotweinsauce gibts bereits für 12.- Euro.
  • Gracanica:  Etwas ausserhalb von Pristina befindet sich das Ethno House mit hervorragender einheimischer Küche. Es gibt riesige Portionen, viel Fleisch und guter Weisswein aus der Umgebung.
  • Prizren: Das Restaurant Te Syla ist bekannt für seine leckeren Fleischgerichte. Und ja, die Cevapcici sind wirklich ausserordentlich gut. Unbedingt vorbeigehen und zugreifen!

Besonderheiten im Kosovo sind Fli, ein Teiggericht mit Joghurtfüllung, Qebapa (Rind- und Lammgehacktes vom Grill) und Pasul, ein Eintopf mit weissen Bohnen. Alles sehr lecker!

In allen Cafés gibt es leckeren Kuchen oder Stückchen mit ganz besonders gutem Macchiato.

Cevapcici mit Fli, ein Nationalgericht im Kosovo.

Cevapcici mit Fli, ein Nationalgericht im Kosovo.

Im Kosovo gibts Essen vor allem in grossen Mengen!

Im Kosovo gibts Essen vor allem in grossen Mengen!

Trendy Bar in Pristina: Die Soma Book Station.

Trendy Bar in Pristina: Die Soma Book Station.

Für Coffeeholics: Macchiato in Gjakova

Das kleine Städtchen Gjakova ist auf den ersten Blick sympathisch. Hier wird vor allem eines gepflegt: Das gemütliche Beisammensein. Eine ganze Strasse voller Cafés liegt einem zu Füssen. Mit dem Wissen, dass der Macchiato sowieso überall spitzenklasse ist, fällt die Auswahl des richtigen Cafés etwas leichter. Dasitzen, Kaffee trinken und tratschen – genau das macht man in Gjakova. Wer sich dennoch etwas die Füsse vertreten will, sieht sich am besten im angrenzenden Markt für Kunsthandwerk um. Achtung, Sonntags ist dieser geschlossen.

Gjakova ist auch eine Stadt mit 33 Moscheen, mit osmanischer Architektur und einem bekannten Uhrturm.

Kaffeetratsch in Gjakova.

Kaffeetratsch in Gjakova.

Das historische Stadtbild Gjakovas.

Das historische Stadtbild Gjakovas.

Für Ausflügler: Prizren, das kulturelle Zentrum

Prizren gilt als die schönste Stadt im Kosovo und als kulturelles Zentrum. Und bereits der erste Blick bei der Ankunft zeigt, dass das nur der Wahrheit entsprechen kann. Malerisch bettet sich die Stadt zwischen den Fluss Drin und den Berg Sar Planina, Steinbrücken überziehen den Fluss und über der Stadt thront die Festung von Prizren.

Prizren mit seiner Festung.

Prizren mit seiner Festung.

Hier gibt es vieles zu erleben. Die Ziele der Liga von Prizren lassen sich im Museum erfahren, von der Festung lässt sich der Blick über die Stadt geniessen und die besten Cevapcici gibt es auch hier. Ebenso kann die Sinan Pasha Moschee besucht werden (Schuhe ausziehen, angemessen kleiden!). Das Archäologische Museum der Stadt lässt sich jedoch nur bedingt empfehlen, ich fand es etwas langweilig und eher mit einer zufälligen Ansammlung von alten Küchenutensilien vergleichbar.

Prizren bietet gutes Essen, eine hübsche Innenstadt, viele Cafés und einiges an Kultur.

Prizren bietet gutes Essen, eine hübsche Innenstadt, viele Cafés und einiges an Kultur.

Für Naturliebhaber: Grün, grüner, Radavc

Im Frühling ist der Kosovo wunderbar grün. Für Naturliebhaber empfehle ich einen Ausflug nach Radavc und der Besuch der dortigen Wasserfälle. Der Fluss Drin entspringt nicht weit weg vom Dorf und zeigt in Radavc seine schönste Seite in Form von Quellen und Wasserfällen. Es führt ein gesicherter Weg über und entlang der Fälle bis zu einer Tropfsteinhöhle, welche ebenfalls begangen werden kann. In der Gegend kann Fisch gegessen werden, welcher einen exzellenten Ruf geniesst.

Eindrücklicher Wasserfall in Radavc.

Eindrücklicher Wasserfall in Radavc.

Grün, grüner, Radavc.

Grün, grüner, Radavc.

Der Kosovo hat also einiges zu bieten. In einem Land, welches touristisch fast unberührt ist, freuen sich die Bewohner umso mehr wenn man vorbeikommt. Es gibt vieles zu entdecken und noch mehr zu erleben.

Hast du jetzt auch Lust gekriegt den Balkan zu bereisen? Dann gibts hier noch viel mehr Inspiration:

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Würde dich eine Reise in den Kosovo auch reizen?

Diese Reise habe ich auf Einladung von Air Prishtina unternommen. Vielen Dank für den Einblick in dieses spannende Land! Meine Meinung wird durch die Einladung nicht beeinflusst.

Über die/den Autor/in

Früher als soloreisende Backpackerin, bin ich heute am liebsten mit der ganzen Familie unterwegs. Ich lebe, reise und arbeite auf der ganzen Welt und geniesse es, Jürgen und unsere Kids immer mit dabei zu haben. Mein Herz schlägt für Hawaii, Kryptowährungen und Schokoladeneis. Mein Ziel ist finanzielle Freiheit für mich und meine Familie.

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