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Im Interview – Familie Thumann, die mit Wohnmobil & Kindern durch Europa reist

Im Interview - Familie Thumann, die mit Wohnmobil & Kindern durch Europa reist

Einfach ein paar Sachen zusammenpacken, ins Wohnmobil steigen und alles hinter sich lassen. In Freiheit leben und jeden Tag das machen, worauf man Lust hat. Familie Thumann hat genau das getan.

Irgendwann bin ich auf den Instagramaccount der Familie Thumann aufmerksam geworden. Damals waren sie gerade dabei ihr Hab und Gut zu verkaufen und mit dem Wohnmobil zu ihrer Reise durch Europa aufzubrechen.

Die Familie war mir auf Anhieb sympathisch. Sie liefern lustige Storys, sprechen immer wieder mal interessante Themen an und sind das, was jeder auf Social Media von sich behauptet, aber die wenigsten tatsächlich sind: authentisch. Sie quatschen einfach drauf los, sitzen in der Jogginghose rum und bringen immer alles in einer angenehmen Dosis.

Alles verkaufen und weg, das habe ich ja auch schon hinter mir. Zwei Jahre habe ich die Welt bereist, alleine. Nun auch mit Familie unterwegs, ist das Thema wieder sehr aktuell. Denn die Gedanken von Natalie und Moritz zum alltäglichen Wahnsinn mit Kindern, Jobs und Schule kann ich sehr gut nachvollziehen. Irgendwann stehen alle da und fragen sich: Ist es das jetzt wirklich, was ich mir immer gewünscht habe? Grund genug, um die beiden mit meinen Fragen zu löchern….

Natalie und Moritz, ihr seid mit dem Wohnmobil und der ganzen Familie in Portugal unterwegs – auf unbestimmte Zeit. Erzählt doch kurz mal wer ihr seid…

Wir sind die Familie Thumann, eine vierköpfige Familie aus der wunderschönen Oberpfalz (Bayern). Moritz ist 36, Natalie 33, Sophie 9 und Jonas 2 Jahre alt. Wir haben unser Leben in Deutschland vor 6 Monaten komplett aufgegeben und wohnen seitdem im Wohnmobil und erkunden die Welt.

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Familie Thumann ist mit dem Wohnmobil unterwegs.

Ihr habt euch ein Wohnmobil zugelegt und tourt damit durch Europa. War das schon immer ein Traum von euch oder wie hat sich das ergeben?

Das Reisen ist irgendwie schon immer in uns verankert. Seitdem wir Kinder haben hat sich unsere Urlaubszeit auf 1 bis 2 mal im Jahr beschränkt. Wir sind jahrelang mit der breiten Masse mitgeschwommen und wollten auch irgendwie „mithalten“. Wir hatten beide einen Vollzeitjob, haben ordentlich Geld verdient und konnten auch sehr gut leben. Ein neues Auto, neue Klamotten, Spielsachen und zuletzt wollten wir uns den Traum vom Eigenheim erfüllen. Doch wie bei den meisten Familien hätten wir dafür einen Kredit aufnehmen müssen und wahrscheinlich bis ins Rentenalter abbezahlen müssen.

Als Jonas zur Welt kam, hat ich (Natalie) für 3 Jahre Elternzeit beantragt. Sophie musste nicht mehr bis 16.00 Uhr in der Schule bleiben, sondern konnte nach dem Unterricht nach Hause kommen. Nur Moritz saß täglich den ganzen Tag im Büro. Er ging morgens mit Sophie aus dem Haus und kam oft erst zurück, als die Kinder schon im Bett lagen. Der Montag war immer blöd, Mittwoch Bergfest, endlich Freitag und das Wochenende viel zu schnell vorbei. Eines Abends saßen wir bei einer Flasche Wein auf dem Balkon und haben plötzlich alles in Frage gestellt. Bis die Idee vom Reisen durch Europa mit dem Wohnmobil entstand.

Wie hat euer Umfeld auf diese Idee reagiert?

Unterschiedlich. Aber Anfangs waren doch alle sehr überrascht, da wir monatelang vom Hausbau gesprochen haben. Meine Mama hat uns tatsächlich tagelang nicht geglaubt, da sie sich so ein Leben so gar nicht vorstellen konnte. Doch mittlerweile können die meisten Verwandten und Freunde unsere Entscheidung gut verstehen. Sehen sich doch sehr viele Familien im Hamsterrad gefangen. Allerdings wollen wir gar nicht wissen, was hinter unserem Rücken oft gesagt wird.

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Natalie und Moritz mit Jonas unterwegs.

Was natürlich alle interessiert: Habt ihr im Lotto gewonnen oder wie finanziert ihr euch?

Haha, schön wäre es. Nein, haben wir nicht. So eine Reise muss natürlich gut vorbereitet werden. Wir hatten 1,5 – 2 Jahre Vorlaufzeit und haben unseren Lebensstil komplett umgestellt. Früher waren wir regelrechte Konsumopfer und jetzt leben wir minimalistisch. Dadurch konnten wir Geld zur Seite sparen. Zusätzlich haben wir all unseren überflüssigen Ballast verkauft. All das Geld haben wir gespart und jetzt wird es verlebt. Wir haben uns im Wohnmobil ein monatliches Limit von 1.500 € gesetzt welches wir nicht immer ausreizen. Trotzdem fehlt es uns an Nichts. Wir essen jeden Tag ausgezeichnet. Wir kaufen regional und lokal ein und gehen auch hin und wieder einen Kaffee trinken.

Welche Route seid ihr bis jetzt gefahren und wie geht es weiter?

Wir sind seit Ende Juli 2019 unterwegs. Wir reisen sehr langsam, da wir nicht nur Urlaub machen wollen, wir wollen die Länder sehen und erleben, wie sie wirklich sind. Wir waren in den vergangen 7 Monaten in 3 Ländern. In Frankreich, Spanien und Portugal. Wir planen als nächstes von Spanien nach Italien überzusetzen, von dort aus nach Albanien, Montenegro, Bosnien und Herzegowina, Kroatien, Ungarn. Soweit der Plan, was aber tatsächlich passieren wird, wird sich zeigen.

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Romantik pur on the road!

Ihr seid mit zwei Kindern unterwegs. Wird das auf Dauer nicht zu eng in einem Wohnmobil oder habt ihr euch an die Platzverhältnisse gewöhnt?

Wir kommen erstaunlich gut zurecht. Das liegt wahrscheinlich daran, dass wir versuchen, der Sonne hinterher zu fahren. Unser Leben spielt sich hauptsächlich draußen ab. Aber klar, wir stehen uns des öfteren im Weg oder treten uns auf die Füße. Doch der Mensch ist ein Gewohnheitstier und wir haben uns ganz gut an unsere 8qm gewöhnt. 

Stichwort Schulpflicht: Eure Tochter ist neun Jahre alt. Wie regelt ihr ihren Schulbesuch oder eben ihren Nicht-Schulbesuch?

Da in Deutschland nach wie vor die Schulpflicht herrscht und es keine Möglichkeit von Homeschooling gibt, hat uns das Anfangs am meisten Kopfzerbrechen bereitet. Zudem waren wir sehr unglücklich mit dem deutschen Schulsystem für Sophie. Wir haben sehr viel gelesen und recherchiert bis wir auf das freie Lernen gestoßen sind. 

Umso mehr wir uns mit dem Thema auseinander gesetzt haben, umso mehr haben wir uns mit dieser Art zu Lernen identifizieren können. Unsere Kinder sind Freilerner und wir können uns keine schönere Art des Lernens vorstellen. Damit wir nicht gegen das Gesetz verstoßen, haben wir uns komplett als Familie aus Deutschland abgemeldet.

Wie muss ich mir euren Alltag vorstellen und wie beschäftigen sich die Kinder unterwegs?

Unser Alltag hängt stark vom Wetter und wo wir gerade stehen ab. Aber grundsätzlich stehen wir gegen 8.00 Uhr auf, frühstücken zusammen und gehen dann vor die Tür. Wir sind in letzter Zeit häufig mit anderen Familien unterwegs. Da spielen die Kinder sogar schon vor dem Frühstück miteinander. Seit ein paar Wochen sind wir nun an der Algarve und wir haben ein neues Hobby, das Surfen. Deshalb sind wir sehr viel am und im Meer.

Am Abend kochen wir gemeinsam etwas Leckeres und lassen den Tag mit einem gemeinsamen Spiel, wie z. B. Uno oder Mensch ärger dich nicht ausklingen. Jonas bekommt das oft nicht mehr mit, er will vorher schon freiwillig ins Bett.

Die Kinder machen eben das, was Kinder so machen. Sie rennen, spielen verstecken, plantschen im Wasser, malen, basteln, lesen, fahren Fahrrad, turnen, tanzen, singen. Beide Kinder durften sich vor Abreise eine Kiste packen mit ihren Lieblingsspielsachen. Aber nicht selten werden Muscheln, Steine, Stöcke, Blätter und Bäume zum besseren Spielzeug.

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Sophie beim Reiten in Tarifa.

Wie unterscheidet sich das Leben im Wohnmobil von den romantischen Bildern, die es auf Social Media meistens zu sehen gibt?

Also Grundsätzlich ist unser Leben sehr naturverbunden und oft haben wir eine romantische Kulisse vor unserer Haustür. Doch natürlich gehört zu so einem Leben mehr als nur schöne Aussichten. Die Toilette muss alle drei Tage ausgeleert werden, wir duschen oft zwei Wochen am Stück nicht, wir fegen das Wohnmobil min. 10 x am Tag, doch der Sand hängt immer noch in allen Ritzen. Wir müssen mit einem 125 Liter Wassertank mehrere Tage auskommen. Temperaturen, warm wie kalt, sind im Wohnmobil extrem. Im Sommer hat man einen ständigen Kampf gegen Fliegen und Mücken. Das sind nur ein paar Beispiele, was sich hinter der Romantik verbirgt. 

Welches sind die grössten Herausforderungen beim Leben im Wohnmobil?

Toilette leeren für Natalie! Da gibts übrigens ein YouTube-Video auf unserem Kanal dazu. Und nicht zu verachten die Schlaglöcher in Portugal.

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Die Thumanns organisieren auch immer mal wieder Beach Clean-Ups.

Auf eurer Website schreibt ihr, dass ihr aus dem Hamsterrad ausbrechen und ohne Verpflichtungen das Leben geniessen wollt. Seid ihr mittlerweile an diesem Punkt angekommen?

Ja, wir sind angekommen. Wir genießen unsere Freiheit jeden Tag und können unser Glück manchmal kaum fassen. Oft stellen wir uns die Frage, warum wir das nicht schon viel früher gemacht haben. Doch im „normalen“ Leben ist oft keine Zeit für Träume. Wir haben jahrelang funktioniert und das getan, was von der „Gesellschaft“ erwartet wird. Viel arbeiten um sich dann mit vielen Konsumgütern zu belohnen steht schon lange nicht mehr im Vordergrund. Wir können uns einen 9 to 5 Job definitiv nicht mehr vorstellen und eine Rückkehr ins Hamsterrad wäre derzeit undenkbar. 

Für wie lange wollt ihr unterwegs sein und wie sehen eure Zukunftspläne aus?

Das wissen wir noch nicht. Solange wir alle damit glücklich und zufrieden sind, werden wir wohl so weiter machen. Irgendwann kommt vielleicht der Punkt, wo wir die Schnauze voll haben, dann werden wir uns wieder verändern.

Für die Zukunft können wir uns eine feste Base mit Gleichgesinnten vorstellen, Querdenkern, Freilernern, Aussteigern.

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Abendstimmung in Castelo Branco.

Welchen Tipp habt ihr für reisefreudige Familien, die mit demselben Vorhaben liebäugeln?

So ein Vorhaben muss sehr gut überlegt und vor allem vorbereitet werden. Vorlaufzeit ist dringend erforderlich. Wenn man keinen Lottogewinn hatte, müssen Ausgaben schon vorher einschränken werden. Ein minimalistischer Lebensstil hilft da ungemein. Finanzen und Versicherungen müssen geklärt sein.

Unbedingt daran denken, dass man 24 Stunden zusammen ist. Eltern werden als ständiger Ansprechpartner und Lernbegleiter für ihre Kinder. Man darf nicht pingelig sein, denn schmutzige Füße im Bett gehören ebenfalls zum Alltag.

Und zuletzt: Würdet ihr es wieder tun?

Definitiv!!!!

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Die ganze Familie Thumann in ihrem Wohnmobil.

Vielen Dank der Familie Thumann für die offenen Antworten auf meine Fragen und weiterhin gute Reise und sichere Fahrt.

Willst du die Abenteuer der Familie auch weiterverfolgen? Sie schreiben auf ihrem Blog und sind auf Youtube und Instagram aktiv.

Hast du noch weitere Fragen an die Familie?

Über die/den Autor/in

Früher als soloreisende Backpackerin, bin ich heute am liebsten mit der ganzen Familie unterwegs. Ich lebe, reise und arbeite auf der ganzen Welt und geniesse es, Jürgen und unsere Kids immer mit dabei zu haben. Mein Herz schlägt für Hawaii, Kryptowährungen und Schokoladeneis. Mein Ziel ist finanzielle Freiheit für mich und meine Familie.

1 Kommentar

  • Linda Siemann
    25. Januar 2021 um 10:46

    Total der inspirierende Beitrag! Ich denke da wieder an meine letzten Roadtrips und Reisen und ich würde so gern mal wieder in mein liebstes Hotel in den Bergen Österreichs fahren. Ich hoffe wir können bald alle wieder so viel reisen, wie wir wollen. Ganz liebe Grüße!

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